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Morphologie de la colère

Giacomoni, Paola

In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, ob Wut eine der Grundlagen der menschlichen Identität ist (wie es überwiegend in der Antike angenommen wurde), oder ob es sich um eine Form von Aggressivität handelt, die diese Identität deformiert. Ausgehend von der Auffassung von Wut in der Antike, wird die Moderne im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, insbesondere die Interpretation der Leidenschaften in Descartes’ Werk Les passions de l’âme (1649). Obwohl der Wut in diesem Text nur eine geringe Bedeutung zugeschrieben wird, hat er nach haltig auf eine kleine, aber dennoch wichtige Schrift gewirkt, in der die Wut eine spezifische Rolle spielt: die Conférence sur l’expression des passions (1698) des französischen Malers Charles Le Brun. Le Brun verfolgt das Ziel, das Malen der Leidenschaften zu lehren. Durch Zeichnungen wird eine semiotisch interessante Typologie von Leidenschaften erstellt, zu denen auch die Wut zählt. Hierbei offenbart sich als zweite Quelle von Le Brun die medizinische Abhandlung von Marin Cureau de la Chambre Les charatères des passions (1640–1662). Dieser Text, der der Wut großen und positiven Wert beimisst, wird mit dem Werk von Descartes in Verbindung gesetzt, und beide werden eklektisch von Le Brun verwendet. Wut wird nie negativ beurteilt, aber ihre Verortung in der Seele ist mehrdeutig und ihre Rolle ambivalent. Auch wenn die positive Energie der Wut erkannt wird, zeigen die Bilder ihre deformierende Seite.

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Colère - force destructive et potentiel créatif : l'émotivité dans la littérature et langage = Wut - zerstörerische Kraft und kreatives Potential : Emotionalität in Literatur und Sprache
Publisher
Frank & Timme

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December 16, 2015